#6
"Und…ich hoffe Sie sind nicht allergisch.“ Es dauerte ein wenig, doch dann schoss es Elaine final doch noch: Allergien spielten in Zusammenhang mit Oreo eher eine untergeordnete Rolle. An der Katze war immerhin kaum etwas dran, was für eine allergische Reaktion sorgen konnte. Es hatte ja auch seinen Grund, dass die Sphynx-Katzen so hoch im Kurs waren bei Menschen, die auf Tierhaare und insbesondere auf Katzenhaare allergisch waren… Bewusst wurde ihr der Irrsinn just in dem Moment in dem der Mann, der sich als Brian vorgestellt hatte und dabei nach wie vor nicht bedrohlich wirkte, anmerkte, dass er nicht zu den Katzen-Allergikern zählte. Für etwa 3 Sekunden seufzte Elaine innerlich über sich selbst, dann wanderten ihre Gedanken aber sprunghaft zu der Sache mit der Bedrohlichkeit zurück. Es mochte ja sicher einige Menschen geben, denen man die Boshaftigkeit schon aus einem Kilometer Entfernung ansehen konnte, aber manche sahen auch nur so aus und waren keineswegs gefährlich. Aber viel schlimmer waren ja wohl die, die ganz normal wirkten und keinen schlechten Eindruck machten, aber bis in den Kern bedrohlich waren. Im Grunde waren diese Personen ja auch die effektivsten, weil niemand glaubte, dass sie jemals etwas Schlechtes tun könnten. Wie oft hört man denn vom liebenswerten Nachbarn von nebenan, der seiner Frau das Küchenmesser in die Stirn getrieben hatte? Naja…oder zumindest ähnliche Szenarien, die durchaus Frauen als Täter ebenso einschlossen. Binnen weniger Sekunden hatte sich Elaines Gedankenwelt somit einen neuen Fixpunkt gesucht und wieder einmal versuchten sich die Synapsen wohl zu übertrumpfen, denn nachdem sie festgestellt hatte, dass die Unauffälligen häufig die „Schlimmsten“ waren, durchlief sie gedanklich verschiedene Möglichkeiten, wie der Fremde ihr und nicht zuletzt der Katze nun gefährlich werden könnte. Er machte kein bisschen den Eindruck überhaupt irgendetwas unrechtes im Sinn zu haben und wenn man ehrlich war, dann drehten sich Elaines Gedanken und längst nicht mehr um Brian selbst, sondern um dutzende Möglichkeiten, die alle samt in hollywoodreifen Verfolgungsjagden endeten und damit mehr Film als Realität waren. In diesem Moment hätte Elaine ein weiteres Mal den Beweis antreten können, dass es Jahre von Erfahrung benötigte, um es in ihrem Kopf länger als ein paar Stunden auszuhalten, denn all die Szenarien und skriptreifen Ideen eröffneten sich ihr binnen von wenigen Sekunden. Ein Sturm von Gedanken, sozusagen, die einmal mehr von der Kreativität der jungen Frau zeugten, aber glücklicherweise kein Gehör fanden, weil sie es schaffte sie nicht auszusprechen. Spätestens das war wohl auch besser, denn zum einen wollte sie den Fremden nicht vollends überfördern – es hatte ja sicher einen Grund, dass es zu der aktuellen Situation und seiner Anwesenheit gekommen war – und zum anderen bestand noch immer die klitzekleine Möglichkeit, dass sie damit einen potenziellen Serienmörder weckte. Wobei das im Hausflur auch irgendwie sehr unwahrscheinlich war und damit mehr Hirngespinst als tatsächliche Wahrscheinlichkeit war.

Amüsiert über das Chaos, dass sich da mal wieder in ihrem Kopf entwickelt hatte, schmunzelte sie für einige Momente und war damit wohl nun diejenige, die eher wie ein potenzieller Psychopath wirken mochte. Brians Frage, ob er die Katze auf den Arm nehmen sollte, holte sie dann zumindest für den Moment zurück in den Moment, denn wie lange es dauern würde, bis ihre Gedanken erneut einen Ritt auf dem Karussell hinlegten, konnte man nie so genau sagen. „Nein, also…Ja schon. Sie mag Männer. Also…“, nun lachte sie leise und hob entschuldigend die Hand. „Ja, man kann sie hochheben. Vor allem als Mann. Sie mag Männer. Das wollte ich sagen.“, erklärte sie dann ein wenig sortierter und lächelte entschuldigend, wie sie es so oft tat. Immerhin hatte sie genau dieses entschuldigende Lächeln perfektioniert und genau das hatte ihr nicht nur einmal den Hintern gerettet. „Sie können es gerne versuchen. Die Übergabe planen wir dann im Anschluss, falls es klappt, damit nichts explodiert.“, scherzte sie etwas unglücklich und grinste dabei kurz.

„Ach, sie hätten mich bestimmt gefunden. Es hätte vielleicht etwas gedauert bis sie die Stufen genommen haben, aber das geht schon.“, merkte sie zuversichtlich an und hob dann kurz nachdenklich die Augenbrauen, bevor das Lächeln wieder überwog. Da war ihr doch tatsächlich noch ein Licht aufgegangen. „Aber…also entschuldigen Sie, dass ich so frage, aber…warum genau wollten Sie denn meine Wohnung überhaupt finden?“, hakte sie dann nach und sah ihn neugierig an. Innerlich war sie außerdem kurz dazu hingerissen sich selbst zu applaudieren, weil sie es ohne viele Umwege geschafft hatte eine wesentliche Frage zu stellen und den Fokus auf die wichtigen Dinge zu richten, bevor sie sich in einem Gespräch über die Katze verlor, die ihr zwar manchmal den letzten Nerv raubte, aber ihr eben doch sehr am Herzen lag.
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